Die Wirtschaft sind wir alle

Hans-Olaf Henkel, Member of the European Parliament, European Conservatives and Reformists Group

Hans-Olaf Henkel, Honorarprofessor an der Universität Mannheim und ehemaliger Europa-Chef der IBM und langjähriger Präsident erst des BDI und dann der Leibniz-Gemeinschaft verschreibt „Fünf Rezepte für Deutschland“. „Wahrheit“, „Freiheit“, „Wettbewerb“, „Nachhaltigkeit“ und „Reformfähigkeit“ sind seine Schlüsselworte.

Rezept eins: „Die Wahrheit sagen!“ Egal ob in der Gesellschaft oder in der Politik, unter vier Augen ist man bereit, Wahrheiten offen auszusprechen. In kleinen Runden ist bemerkenswert schnell Konsens erreicht. Am nächsten Tag sieht bei öffentlichen Diskussionen alles wieder anders aus. Politiker trauen sich nicht, öffentlich zuzugeben, dass die deutsche Industrie derzeit zu wenig verdient. Mit einer Umsatzrendite von 2 Prozent liegt Deutschland weit hinter fast allen Ländern der Welt. „Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir dafür sorgen, dass man in Deutschland wieder verdienen kann.“ Dies offen auszusprechen, ist bitter nötig, denn erst wenn die Bevölkerung das begreift, akzeptiert sie die nötigen Reformen zur Stärkung der deutschen Unternehmen. Zur Wahrheit gehöre auch anzusprechen, dass in unserer Gesellschaft immer wieder versucht wird, einen künstlichen Graben zwischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Gesellschaft zu ziehen. „Politiker und Medien bauen diesen Graben weiter aus,“ so Henkel. Dabei seien Wirtschaft wir alle – Konsumenten, Manager und Arbeitslose.

Rezept zwei: „Mehr Freiheit!“ Im deutschen Streben nach Gleichheit bleibt für die Bürger die Freiheit auf der Strecke, lautet Henkels These. Schon Thomas Mann stellte einen logischen Gegensatz von Freiheit und Gleichheit fest. „Wenn man zuviel Freiheit hat, geht die Gleichheit – also auch die Solidarität über die Wupper. Wenn man aber zu gleich ist, ist man nicht mehr frei.“ Im Bemühen um soziale Gerechtigkeit sieht Henkel viel Unehrlichkeit in der deutschen Diskussion. „Es wird immer mehr für Gleichheit gesorgt, andere Werte werden vernachlässigt.“ Die eigentliche Krux liege darin, dass die Deutschen bereits weltweit mit das höchste Maß an Gleichheit erreicht haben, die Bürger aber zunehmend meinen, unsere Wirtschaft würde ungerechte Verhältnisse schaffen. Man könne aber nicht die Folgen der Verfehlungen gegen das System der Marktwirtschaft dem System in die Schuhe schieben, sondern müsse die Verfehlungen selbst anprangern. Im Klartext hieße das, sich weniger über die Arbeitslosigkeit als über die mangelnde Liberalisierung des Arbeitsmarktes zu beschweren.

Rezept drei: „Mehr Wettbewerb!“ Nicht nur im Bereich Bildung fehle, laut Henkel, Wettbewerb. Der Mangel an Wettbewerb sei hier aber offensichtlich. Deutschland befinde sich in einer Bildungskatastrophe. „So wie offener Wettbewerb im Sport zu besseren Ergebnissen führt, heben Aufnahmeprüfungen an den Universitäten das Ausbildungsniveau,“ stellt Henkel klar. Eliteuniversitäten ließen sich nur schaffen, wenn Entscheidungen nach unten delegiert werden, die Universitäten mehr Autonomie für mehr Wettbewerb bekämen. Auch „der Wettbewerb zwischen Gesellschaften läuft ähnlich ab, wie Wettbewerb zwischen Unternehmen“, konstatiert der Redner. „Selbst wenn man sich bewegt, kann man zurückfallen, wenn andere schneller sind“. Auch der Erfolg großer Unternehmen beruhe oft auf dem Wettbewerb zwischen kleinen Einheiten. Die Frage nach dem Rezept für eine höhere Wettbewerbsfähigkeit einer Gesellschaft beantwortet Henkel mit: „Mehr Wettbewerb!“

Rezept vier: „Nachhaltigkeit in der Politik!“ Henkel lobt das Prinzip der Nachhaltigkeit im Umweltschutz. Er empfiehlt, diese Strategie auch in andern Bereichen der Politik anzuwenden. „Um wieder gewählt zu werden, gibt die Regierung Jahr für Jahr immer mehr Geld für ‚Geschenke’ aus.“ Ausgaben für Soziales seien populärer als Investitionen in Bildung und Forschung – nur damit sei der deutschen Gesellschaft nicht gedient. „Wenn wir in anderen Politikbereichen so nachhaltig wirtschaften würden wie im Umweltschutz, dann hätten wir ausgeglichene Staatshaushalte, ein funktionierendes Bildungssystem und mehr Arbeitsplätze.“

Rezept fünf: „Reform der Reformfähigkeit!“ Henkels Erfahrung nach arbeiten die Deutschen in einem System, in dem es besonders schwer ist Reformen durchzusetzen. Nicht zuletzt die zunehmende Macht des Bundesrates, der Parteien und die vermischten Verantwortlichkeiten zwischen Kommunen, Ländern und Bund hemme jede Reformfähigkeit. „Diese Selbstblockaden in unserer Verfassung führen dazu, dass wir mit dem Tempo der Globalisierung nicht mehr Schritt halten können,“ äußert der Ex-BDI-Chef kritisch. Den Föderalismus neu entdecken und Zuständigkeiten nach unten delegieren, ist seine Forderung. Als ersten Schritt in diese Richtung haben Henkel und andere die Einberufung des „Konventes für Deutschland“ initiiert. Namhafte Vertreter aus Politik und Wirtschaft finden sich regelmäßig zusammen, um ein neues politisches Entscheidungssystem einzuführen. Vorsitzender des Konvents ist der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog. In der Vision, eine konkrete Antwort auf die Frage geben zu können, was eigentlich geändert werden muss, sieht Henkel die einzige Möglichkeit „durch eine Reform der Reformfähigkeit Deutschland wieder dahin zu bringen, wo es einmal war und wo es wieder hingehört.“ (Näheres unter www.konventfuerdeutschland.de) Die ersten Früchte dieser Arbeit wird man bald durch die sogenannte Föderalismusreform besichtigen können.

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