Mari Kodama, International Concert Pianist
Are there any friendly pictures of Ludwig van Beethoven? Is there one where he
doesn’t look quite so earnest? Probably not. Indeed, it would suit neither him nor
his music as we, for the most part, regard him today. Beethoven is perceived as a
stern, serious composer of music with no small degree of gravitas. The manner in
which he composed was wild, heartrending, to all intents and purposes revolutionary
– true of not only his symphonies, but also the five Piano Concertos he created.
The depth of his compositions, the ideas on which his music is based, their
timeless quality, never fail to captivate me and my husband Kent Nagano. Beethoven
has been a kind of companion to us both in our lives, an important point of
reference in our work, yet in different ways. Engaging with his works is akin to a
voyage of discovery, every single time. Beethoven’s music unleashes such a wealth
of images and fresh ideas. As a young man, Kent was fascinated by the classical
statements in his works, later by the ideal of man presented primarily in his symphonies,
the notion of individualism and the implicit hope for us as people, that our
lives will progress positively, changing for the better as we grow. For my part, I am
drawn to the warmth in his music, his infinite and eminently big-hearted humanity.
His notes capture our strengths and weaknesses, our fears and concerns, our joys
and esprit, conflicts and conciliations, our successes and failures.
Approaching Beethoven’s Piano Concertos from such different perspectives,
studying them together and then arriving at a common understanding of how we
would play them was an incredibly exciting process for Kent and myself. Once
more we found ourselves discovering and experiencing Beethoven afresh throughout
the intensive process – how incredibly modern, provocative he is, unashamedly
demanding of us in our own musical development. I cannot count the number
of times we discussed Beethoven’s musical ideas, how amazed we were, how we
laughed. Time and again, his unconventional treatment of musical material
astounded us, his uniquely boundless urge to break free of the constraints dictated
by the contemporary laws of composition, going so far as to mock them
before brusquely leaving them in his wake. “Art demands of us that we shall not
stand still”, he once wrote, thus placing his idea of development at the centre of
his music.
Within the profundity of his music, we shared in the discovery of his unbridled
humour. His works are rich in irony, thereby alleviating their gravity in a flash. As if
he desired to step outside reality for a moment, choosing to look on with amusement
from a distance. The very idea of repeatedly dispatching piano and orchestra
in different directions appears quite mad, as if the protagonist were turning away
from the chattering crowd. Communication falters. Such is life – sometimes grotesque.
On these recordings of the five Piano Concertos, we have sought to bring a
rather different colour to the somewhat sombre images of Beethoven. A little
brighter in tone, more distinctly shaded, not least because we were so conscious
of his wit as we worked together on these Concerti. Such remarkable chutzpah at
the conclusion of the Second Piano Concerto, not to finish on the habitual chord,
but to slide into a veritable chromatic scale – a question without an answer! I imagine
Beethoven impetuously composing this musical phrase, perhaps even with a
touch of arrogance as he transforms life into burlesque. Did a smile just cross his
face for the briefest of moments?
Ein Leben mit Beethoven
Gibt es ein freundliches Bild von Ludwig van Beethoven? Eines, auf dem seine
Gesichtszüge einmal nicht ganz so ernst anmuten? Wahrscheinlich nicht. Es
würde zu ihm und seiner Musik, wie wir sie bis heute mehrheitlich wahrnehmen,
auch gar nicht passen. Beethoven gilt als strenger, ernsthafter Komponist, dessen
Musik eine gewisse Schwere innewohnt. Er komponierte wild, herzzerreißend, in
jedem Falle revolutionär – nicht nur seine Sinfonien, sondern auch die fünf Klavierkonzerte,
die er schuf.
Es sind tatsächlich diese Tiefe seiner Kompositionen, die Ideen, die seiner
Musik zugrunde liegen, und ihre Zeitlosigkeit, die meinen Mann Kent Nagano und
mich immer wieder zu ihm hinziehen. Für uns beide ist Beethoven eine Art Lebensbegleiter,
ein wichtiger Bezugspunkt unserer musikalischen Arbeit. Für jeden von
uns auf unterschiedliche Weise. Die Beschäftigung mit seinen Werken gleicht
jedes Mal aufs Neue einer Entdeckungsreise. Das liegt an der Vielzahl von Bildern
und neuen Gedanken, die Beethovens Musik freizusetzen vermag. Kent haben in
jungen Jahren die humanistischen Aussagen seiner großen Werke fasziniert, später
das in seinen Kompositionen und vor allem den Sinfonien vorgetragene Menschenbild,
die Idee des Individualismus und die darin liegende Hoffnung für uns
Menschen, dass wir uns entwickeln, zum Guten verändern und an unserem Leben
wachsen können. Für mich ist es bis heute die Wärme seiner Musik, sein großes
Herz, das sich hier manifestiert, seine grenzenlose Menschlichkeit, mit der er es
versteht, unsere Stärken und Schwächen, unsere Ängste, Sorgen, die Freude und
den menschlichen Witz, Konflikte und Versöhnung, Erfolg und unser Scheitern in
Tönen zu bannen.
Sich aus diesen ganz unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam an die Klavierkonzerte
von Beethoven zu wagen, sie zusammen zu erlernen und wiederum
gemeinsam eine Idee davon zu entwickeln, wie wir sie einspielen würden, war für
Kent und mich ungemein aufregend. In dieser intensiven Arbeit entdeckten und
erlebten wir Beethoven noch einmal anders – ungeheuer modern, provokant und
unverhohlen fordernd in seinem Anspruch, uns selbst musikalisch weiterzuentwickeln.
Wie oft haben wir über Beethovens musikalische Ideen diskutiert, gestaunt,
gelacht. Immer wieder verblüffte uns sein unkonventioneller Umgang mit dem
musikalischen Material und der ihm so eigene unbändige Drang, aus der Enge
kompositorischer Gesetzmäßigkeiten seiner Zeit auszubrechen, sich mitunter über
sie zu mokieren, um sie schließlich brüsk hinter sich zu lassen. »Die Kunst verlangt
von uns, dass wir nicht stehenbleiben«, schrieb er einmal und stellte damit die
Entwicklungsidee ins Zentrum seiner Musik.
Bei all dem Tiefgang seiner Musik entdeckten wir gemeinsam seinen ungezügelten
Humor. Seine Werke sind voller Ironie, mit der er ihnen im Handumdrehen
die Schwere nimmt. Ganz so, als wolle er für einen Moment aus der Realität heraustreten,
um sich auf die Position eines distanziert amüsierten Betrachters
zurückzuziehen. Wie verrückt die Idee, Klavier und Orchester immer wieder auf
völlig getrennte Wege zu schicken, als würde sich der Protagonist abwenden,
während die Menge einfach weiter auf ihn einredet. Die Kommunikation gerät ins
Stocken. So ist das Leben – mitunter grotesk.
Wir haben versucht, mit diesen Einspielungen der fünf Klavierkonzerte eine
etwas andere Farbe in die recht düsteren Bilder Beethovens zu bringen. Ein wenig
heller sollten sie werden, differenzierter schattiert, nicht zuletzt, weil wir während
unserer gemeinsamen Arbeit in diesen Concerti so viel von seinem Witz erlebten.
Was für eine Chuzpe, das Ende des zweiten Klavierkonzerts zunächst nicht in dem
erwarteten Akkord münden, sondern mit einer chromatischen Tonleiter regelrecht
abrutschen zu lassen – hinein in eine Frage ohne Antwort! Ich stelle mir Beethoven
vor, wie er diese musikalische Phrase komponiert, wie er ungestüm und fast ein bisschen
überheblich das Leben unvermittelt in eine Burlesque verwandelt. Und wie
dabei für den Moment eines Wimpernschlages ein Lächeln über sein Gesicht huscht.
Booklet der CD Beethoven: Klavierkonzerte Nr. 1-5. Tripelkonzert. Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Kent Nagano, Kolja Blacher – Violine, Johannes Moser – Violoncello. Box, Berlin Classics (Oktober 2014)
Photo credit: Mari Kodama, Vincent Garnier
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